Besuch im Automuseum in Schramberg

Unser Bundesbruder Allegro hatte anlässlich seines 85ten Geburtstag die Staufen eingeladen, ihn und seine Sammlung seltener Oldtimer und historischer Zweiräder in der Erfinderzeiten-Ausstellung Schramberg zu besuchen. Es ist eine beeindruckende Sammlung von historischen Fahrzeugen, die in dem denkmalgeschützten ehemaligen Fabrikgebäude in Schramberg untergebracht ist. Martin Sauter v. Allegro, Geschäftsführer und Inhaber der 1844 gegründeten, ältesten europäischen Waagenfabrik Gottlieb KERN & Sohn GmbH hat in den 1970er Jahren erkannt, dass die motorisierten Zwei- und Vierräder aus der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 mehr und mehr verloren gehen. So nahm er als einer der ersten diese technikgeschichtliche Epoche in den Fokus und begann, Relikte aus dieser Zeit zu sammeln, insbesondere Fahrzeuge des “kleinen Mannes”, die am schnellsten im Zuge des Wirtschaftswunders untergegangen sind.
Wir Staufen konnten zuvor schon zweimal seine Fahrzeugsammlung bestaunen. Das erste Mal vor genau 25 Jahren im damals noch kleinen Automuseum in Engstingen, zu dem wir seinerzeit mit dem Dampfzug angereist waren. Das zweite Mal vor 12 Jahren hier in Schramberg, kurz nach der Museumseröffnung.

Diesmal nun machten sich 41 Staufen am 14.10. auf den Weg nach Schramberg. Die Einen starteten morgens um 9 Uhr bequem im extra gecharterten Bus, die BB BB aus der näheren Umgebung direkt per PKW. In zwei geführten Gruppen bestaunten wir die vielen in drei Stockwerken ausgestellten Fahrzeuge und Zweiräder und erfuhren von BB Allegro und seinem Museurms-Kollegen viele Details und Hintergrundinformationen zu den Exponaten.  Auch das im 4.Stock untergebrachte Uhrenmuseum der Firma Junghans fand Interesse.
Aber irgendwann waren alle müde und froh, dass unser Organisationsteam um BB Royal im Museumscafe für Kaffee und meist selbstgebackenen Kuchen gesorgt hatte. Wir lauschten unserem BB Allegro, der in gebotener Kürze noch einige übergeordnete Gedanken zur Kraftfahrzeugwelt der Nachkriegsjahre vortrug. Mit seinen Ausführungen wollte er die großen Linien nachzeichnen, auf denen sein Museumsthema aufbaut.

Bevor es dann auf der Rückfahrt weiter ins Restaurant Waldschenke in Schömberg ging, wo der Ausflug bei gutem Essen und Getränken sein Ende fand, bedankte sich BB Allegro, dass so viele Staufen den Weg nach Schramberg gefunden und dass BB Royal die Reise so gut organisiert habe. Für Meike und unseren AHP Pneu war es sicher eine besondere Ehre und Freude, dass sie bei der Rückfahrt ins Restaurant Waldschenke dann den 70 Jahre alten Mercedes 170 S-V von BB Allegro bis vor die Wirtshaustüre steuern durften.

Vortrag unseres BB Allegro:

 Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie von 1945 bis 1975 und die Einflüsse aus den USA und Japan. 

Zunächst die Ausgangslage der Kfz-Industrie unmittelbar nach Kriegsende 1945. Man sprach lange nicht darüber, doch die große Kriegserfahrung durch die 6 Kriegsjahre im 2. Weltkrieg entfaltete eine enorme technische Wirkung in der Nachkriegszeit: Das galt ganz besonders für Volkswagen. Der Käfer bzw. Kübelwagen war das besterprobteste Auto Deutschlands. Noch nie hatte ein Fahrzeug eine solange und so harte Einführungsphase gehabt. Mercedes war der größte Motorenbauer im Krieg, und dies nicht nur bei Autos. Auch bei BMW war die Motorentechnik auf einem Höchststand angelangt. Der Kleinlaster Opel Blitz war der sprichwörtlich Zuverlässige im Kriegseinsatz Dann die schweren Motoräder: Sie waren u. a. als Kradmelder im unwirtlichen Gelände aufs Härteste strapaziert. Vor allem Zündapp und BMW hatten profitiert. Und noch was muß man wissen: Die besten Kfz-Fachleute waren vom Kriegseinsatz verschont. Dies hat insbesondere Mercedes und BMW genützt. Hinzu kamen die Einflüsse aus dem Flugzeugbau:

  • Scheibenbremse, in Deutschland erstmals bei BMW V8 ab 1958
  • Benzin-Einspritzpumpe, bei Gutbrod ab 1951
  • Leichtbauweise mit Werkstoff Aluminium
  • Aerodynamische Erkenntnisse

Die Folgen der 10-jährigen Zwangspause für Deutschland durch die Kriegs- und frühe Nachkriegsjahre
Das war die große Chance der Amerikaner, die aber eine ganz andere Philosophie im Autofahren und damit auch im Fahrzeugbau hatten als wir in Deutschland.
Schauen wir und die  unterschiedliche Fahrkultur einmal an: Wir Deutschen fuhren immer schon sportlich, die Amerikaner dagegen bequem. Dies erklärt sich aus dem unterschiedlichen historischen Werdegang. Die Deutschen Autofahrer kamen vom Motorrad her und hatten das Fahren nach unserem Verständnis noch richtig gelernt. Die Amerikaner hatten keine vor dem Auto liegende  Motorradkultur, auch war ihnen das sportliche Fahren allein schon durch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Meilen in der Stunde mehr oder weniger fremd. Ein amerikanisches Auto mußte leise sein. Das Deutsche nicht, siehe VW Käfer. 

Die amerikanische Fahrkultur prägte die Technik
Das bequeme Fahren der Amerikaner setzte aber  technische Meilensteine, die erst nach und nach in Deutschland und Europa Einfluss gewinnen konnten.  

Ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten hatten:

  • Automatisches Getriebe
  • Bremskraftverstärker, in D erstmals bei den großen BMW Modellen
  • Servo-Lenkung (wir hatten das nur bei Panzern). Nicht  mal Mercedes konnte sich beim Typ 300 (Adenauer) hierzu entschließen. Ein großes Lenkrad tut es auch.
  • Elektrische Hilfen wie Fensterheber und Sitzverstellung letztere sogar mit Memory-Funktion
  • Zentralverriegelung
  • Klimaanlage

Die US – Strassenkreuzer aber waren nicht exportfähig:

  • Zu breit und zu groß
  • Zu hoher Spritverbrauch

Am Preis hätte es an sich gar nicht gelegen, Dank der großen Serien in ausgefeilter Fließbandfertigung

Deutschland meldet sich zurück
Die Nachteile des US-Strassenkreuzers boten uns gute Chancen. Sofort nach dem Krieg wurden wieder schnelle Autos gebaut und in Rennen erprobt. Z. B. Veritas schon ab 1946 mit Fahrzeugen auf BMW Basis, dann etwas später Mercedes, Audi  und Porsche. Nun floss die große Kriegserfahrung und das Wissen aus dem Sportbereich zusammen und vereint mit dem deutschen Aufbauwillen wurden wir schon zum Ende der 1950er Jahre wieder zur Autonation Nr. 1 auf der Welt. Auch hatten wir in der Zwischenzeit gelernt mit dem Fließband umzugehen, wenn man so will ein Schwachpunkt der Vorkriegszeit. Selbst Volkswagen startete ohne Fließbänder. Dann ging es jahrelang unaufhörlich aufwärts. Das legendäre deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit speiste sich zu ca 50% allein aus der Automobilproduktion. Doch Bäume wachsen bekanntlich nicht in den Himmel, und ab etwa 1965 wurden Schwächezeichen deutlich. Nun betrat Japan die Autobühne und schickte sich an, die Welt-Führerschaft zu übernehmen. Wie kam es dazu?
Der VW Käfer schwächelte ab Mitte der 60-er Jahre, dennoch hielt Generaldirektor Nordhoff überlang an ihm fest. Der Golf kam erst 1972 mit großer Verspätung. Vielleicht lag dies auch daran, daß die erfahrenen Konstrukteure aus der Kriegszeit mittlerweile in Pension gingen. Zur Käferkrise kam 1973/74 noch die Ölkrise. Letztere setzte dem deutschen Wirtschaftswunder generell ein Ende.

Dann die „68er“. Diese Generation war regelrecht autofeindlich, sie wollten zurück zum Fahrrad. Ihr Einfluss wird unter anderem am Verschwinden des Chromzierrates am Auto deutlich. Der Stolz am Auto verkehrte sich in die „neue Bescheidenheit“. Und ein Letztes: Im Ausland hatte man die deutschen Autos der frühen 70er Jahre als spießig empfunden. Der Tiefpunkt des deutschen Automobilbaues fiel sinnigerweise mit dem 100. Geburtstag zusammen. Wir wissen es alle, es war das Jahr 1986.

Doch nun zu den Japanern.
Ihre große Stärke war die robotergesteuerte Produktion, hier waren sie uns weit voraus. Dies führte zu einer weltweiten Preisführerschaft, die durch modernste konstruktive Technologien noch verstärkt wurde. Besonders augenfällig läßt sich dies bei der Motorradproduktion nachzeichnen.

Aufstieg und Fall der deutschen Motorradindustrie
Zunächst muß man wissen, daß Deutschland vor dem Krieg die Motorradnation Nr. 1 auf der Welt war. Nirgendwo gab es mehr Motorradfahrer als bei uns. Wie schon beim Auto war der 2. Weltkrieg Lehrmeister im robusten Motorradbau. An diese große Zweirad-Tradition nach 1945 anzuknüpfen lag also sehr nahe. Die Produktion begann zuerst mit kleinen preiswerten Maschinen mit 98, 125 und 150 ccm. Bei 250 ccm war dann so etwas wie ein natürlicher Grenzpunkt gegeben. Die Motorleistungen begannen bei 3 PS und mit 10 PS konnte man sich absolut sehen lassen. Das Motorrad war ein Altagsgerät, die Fahrt am Wochenende ins Grüne lief am Rande mit. Nicht lange drauf schob sich der Hubraum nach oben bis 500 ccm und die Leistung kam in die Nähe von 30 PS und mit den besseren Verdienstmöglichkeiten regte sich auch der Sportsgeist wieder. So ging das bis etwa Mitte der 1950er Jahre. Dann aber kippte die Szene, die Deutschen stiegen zunächst auf den Kleinwagen um, doch ab dem Ende der 1950er Jahre hatten die großen Autohersteller den Markt wieder fest im Griff. Mit großem Abstand vorn draus marschierte Volkswagen mit dem Käfer. Zu Beginn der 1960er Jahre war die Zeit der deutschen Motorräder leider vorbei. Unsere schwäbische Nobelmarke NSU stellte 1963 die Motorradproduktion ganz ein. Entsetzlich schade, denn zur neuen Spielwiese des Motorrades als Freizeit- und Sportgerät fehlten nur ein paar Jährchen. Und es mangelte vielleicht auch ein wenig an Mut und Phantasie unserer wackeren und soliden Motorradbauer.

Die Japaner erobern konkurrenzlos den europäischen Markt
Doch jetzt kommt die Stunde der Japaner. Auch sie hatten eine intensive Kriegserfahrung und überhaupt keine Scheu gute Dinge zu kopieren. Sie kamen mit Sportgeräten auf den Markt, die kaum mehr Änlichkeiten mit den deutschen Traditions-Maschinen hatten. Schon Ende der 1960er Jahre konnte Jamaha und Honda starke Motorräder mit unglaublichen 60 PS liefern. Überlebt hat in Deutschland bis zum heutigen Tage einzig die Marke BMW. Doch man hatte seinerzeit in München große Mühe mit den Japaner mitzukommen. BMW konnte erst 5 Jahre nach den Japanern eine Serien-Maschine mit ebenfalls 60 PS anbieten. Soweit so gut, laßt mich nun noch ein paar Worte zu einem anderen Thema sagen:

Meilensteine in der Automobilentwicklung nach dem 2. Weltkrieg in chronologischer Folge

 Dieser Blick zurück ist für uns Ingenieure insofern besonders reizvoll, denn uns als technische Fachleute steht es gut an, ein wenig Bescheid zu wissen, wenn beispielsweise die Frage auftaucht: Sag mal, seit wann haben wir eigentlich den Sicherheitsgurt?  

1949
Borgward führt als erster deutscher Hersteller mit dem Hansa 1500 die Ponton-Karosserie ein. Auch der Winker als Richtungsanzeiger hat bei diesem Fahrzeug erstmals ausgedient, an seine Stelle treten nun die 4 Blinkleuchten, wie wir sie heute kennen.

1950
Der Sicherheitsgurt taucht erstmals auf, in Form eines Hosenträgergurtes, damals noch ohne Spannelemente und Rückholeinrichtung, Er wurde nur bei sportlichen Einsätzen benützt.

1951
Daimler-Benz beschäftigt sich mit Knautschzonen bei der PKW- Fahrgastzelle. Erstmalige Umsetzung im Mercedes 180 ab 1953. Im Kleinwagen Gutbrod Superior aus Plochingen kommt im selben Jahr erstmals ein Motor mit Benzineinspritzung zum Einsatz. Diese Technik wurde bereits im 2. Weltkrieg bei Flugmotoren verwendet.

1953
Dunlop führt den schlauchlosen Reifen ein.

1954
Felix Wankel beschäftigt sich mit dem Kreiskolbenmotor. Erstmaliger Einsatz in einem Serienfahrzeug bei NSU im Wankel-Spider 1964.

1955
Citroen führt im DS 19 die Scheibenbremse und die Luftfederung ein.

1961
Mercedeswagen werden jetzt serienmäßig mit Sicherheitsgurten ausgerüstet. Die allgemeine Anschnallpflicht dagegen kommt erst 13 Jahre später, also 1974

1967
Bosch führt die elektronische Benzineinspritzung ein. War damals sehr teuer – versteht sich.

1969
Bei Mercedes beginnen Versuche mit Airbags.

1972
Bosch kann Halogenscheinwerfer liefern.

1974
Erste Verkehrsfunk-Informationssysteme in Deutschland

1975
Entwicklung der Antiblockiersysteme

1979
Bosch entwickelt die erste digitale Steuerung von Zündung und Einspritzung.

Mit dem Ende der 70er Jahre will ich es meine lieben Bundesschwestern und Bundesbrüder aber dann auch gut sein lassen, denn dieser Zeitabschnitt ist auch sowas wie Ende der reinen Mechanik und Aufbruch in das digitale Zeitalter.   Hier endet auch die historische Spanne unseres Museums.

Ich komme zum Schluß
Unsere Ingenieur-Zeitgenossen vor 60 bis 70 Jahren waren einst stolz auf die tollen Fahrzeuge jener Zeit und hatten sicher auch einen überaus hohen technischen Stand erreicht. Das ist heute nicht viel anders, doch wir wissen, dass die Tage der konventionellen Fahrzeugtechnik mit dem klassischen Verbrennungsmotor schlussendlich gezählt sein werden. Wir wissen aber auch, dass die Ingenieurskunst nie enden und heute noch kaum vorstellbare Dinge hervorbringen und erfolgreich umsetzen wird. Auf die Fortschreibung dieser technischen Meilensteine in den nächsten, sagen wir 20 bis 30 Jahren, darf man gespannt sein. Ihr jungen Staufen werdet dabei sein. Habt sorgfältige Acht darauf, dass wir die seither hart umkämpfte Weltspitze im Automobilbau auch beim großen Umbruch hin zum Elektroantrieb zukünftig nicht gegen andere Nationen verlieren.
Ich danke Euch.

Autor: Remis

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