Ohne Photovoltaik geht’s nicht

Die Wärmepumpe fertig zum Einbau für die Mülbergerstraße 39
Dass es in Esslingen bei der Installation von Photovoltaik an und auf denkmalgeschützten Häusern Probleme mit dem Denkmalschutz gibt, ist bekannt. Als es daher galt, für die 17 Studentinnen und Stundenten in den WG´s in unseren beiden Verbindungshäusern in der Mülbergerstraße 39 und 41 die seitherigen Öl- und Gasheizungen auszutauschen, war die Entscheidung am Außerordentlichen Generalconvent im Mai letzten Jahres trotzdem schnell klar: Statt einer extrem teuren Pelletheizung für beide Häuser und dem mit Abstand wesentlich günstigeren vorliegenden Angebot von Gas-Hybridheizungen, hatten wir uns der Umwelt zuliebe trotz hoher Investitionskosten für Wärmepumpen in beiden Häusern unter folgenden Voraussetzungen entschieden:
Da die thermische Isolation von Fassaden und Fenstern bei unseren alten Gründerzeit-Villen nicht möglich ist – Eines davon steht unter Denkmalschutz, beim Anderen geht nicht viel – war klar, ohne eigene Stromerzeugung mittels Photovoltaik ist es mit der Wärmepumpe wirtschaftlich nicht machbar. Wenn wir für unsere Studierenden die zu erwartenden hohen Kosten für den Stromverbrauch erträglich halten wollen, müssen wir so viel Strom wie möglich selbst erzeugen. Am und auf den beiden Häusdächern geht es mit Photovoltaik aus baulichen und Denkmalschutzgründen nicht, aber wir können ja unseren 20 m breiten PKW-Parkplatz mit den 8 Stellplätzen auf der Rückseite unseres Grundstücks mit Solarmodulen überdachen.
Ein Photovoltaik-Anbieter entwickelte daraufhin eine Lösung und machte uns am 17.5.2023 ein Angebot über die Errichtung eines Carports mit 135 qm Fläche für Photovoltaik mit 28,3 kWp Leistung.
Ab jetzt wurde es kompliziert, denn wer da in Esslingen alles für so eine einfache Überdachung des Parkplatzes mitzureden hat, ist erstaunlich – und außerdem, wie lange das alles dauert und wie teuer das Vorhaben ist, das unser Verein aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanzieren muss:
Der Ablauf: Vor einem Bauantrag wurde am 1.8.23 wie üblich der „Bürgerservice Bauen der Stadt Esslingen“ zum Vorhaben „Einrichtung einer Carportüberdachung zur Nutzung solarer Energie Mülbergerstrasse 41“ von unserem Architekt angefragt. Das vorläufige Ergebnis:
- Auch wenn Gebäude und Freianlagen unter Dankmalschutz stehen, hat der Leiter des Denkmalschutzamtes keine Bedenken gegenüber dem Vorhaben geäußert.
- Das Stadtplanungsamt sieht direkt an der Straße befindliche PV-Anlagen kritisch, da sie das Straßen- und Stadtbild verändern könnten. Dazu seien Grundsatzabstimmungen mit Fachbereich Städtebau und Bürgermeister erforderlich, weil wir damit einen Präzedenzfall schaffen würden.
- Beide Seiten des Carports seitlich direkt bis zur Grundstücksgrenze bauen geht nicht, da Abstandsregeln zu Nachbar-Grundstücken beachtet werden müssen.
- Der Parkplatz sei ein nicht überbaubarer Grundstückteil, dafür sei eine Baugenehmigung erforderlich.
- Die Behörde sieht beim Carportvorhaben eher ein Dach, weil die vorgesehene Pergola aufgrund der vielen Paneele wie ein geschlossenes Dach wirkt und das Wasser kontrolliert abgeführt wird. Dazu sei eine Klärung erforderlich.
Aber jetzt kommt´s…
- Wir erfahren, im seit 1972 gültigen Bebauungsplan 569 der Stadt Esslingen ist in der Mülbergerstraße im oberen Bereich ein 2 m gelber Streifen eingezeichnet. Diese gelb markierte Grundstücksfläche ist die Fläche, die die Stadt Esslingen benötigt, wenn sie dort später einmal einen Fahrradweg bauen möchte. Also sei hier keine Bebauung möglich. Das werde aber noch final geprüft. Die Pergola würde dadurch jedenfalls 2 m in der Tiefe verkleinert.
- Als Pergola wird vermutlich nur ein einfacher Antrag auf Befreiung erforderlich.
- Tendenz: Tiefe nur noch 5 m anstatt geplanten 8 m. Grenzabstände müssen auch eingehalten werden. Länge dann statt 20 m eventuell nur 15 m.
Daraufhin hat unser Architekt die Planung am 19.10. 23 überarbeitet. Mit eingehaltenen Abständen zu den Nachbarn und 2 m von der Grundstücksgrenze zurückgesetzt, um einen späteren Straßenausbau zu ermöglichen. Jetzt sind keine Überdachung, sondern offene Pergolen vorgesehen und statt einer Holzkonstruktion wäre von der Stadt eine leichte Stahlkonstruktion gewünscht. Dadurch reduziert sich die Anzahl der möglichen PV-Elemente auf 52, also 15 x 7,25 = 108 qm PV auf nur noch 21 kWp statt 28,3 kWp Leistung.

Das neue Konzept der Tragkonstruktion für die Solarpaneele
Am 8.9. 2023 bekommen wir einen Brief vom Landesamt für Denkmalpflege:Zum Denkmalschutz zählt auch der umgebende Garten!
16.11.2023 Anruf vom Baurechtssamt:Herr XXX vom Baurechtsamt hat angerufen:
- wir können lt. Herrn XXX aus seiner Sicht mit unserer Planung in Baugenehmigungsverfahren gehen. Garantieren kann er aber nichts.
- Frau YYY vom Stadtplanungsamt könnte unserem Vorschlag folgen, aber Einsprüche von anderen Ämtern könne es noch geben, weil wir das Dach im Bereich des nicht überbaubaren Grundstückteils vorsehen. Es könnte auch verlangt werden, dass wir den vorhandenen Bodenbelag des Parkplatzes gegen einen versickerungsfähigen Belag ersetzen müssen, obwohl der vorhandene befestigte Parkplatz auf Grund der Hanglage gar kein Regenablaufproblem hat.
- Die neue PV Konstruktion wird nicht als offene Pergola anerkannt.
- Herr XXX empfiehlt eine geführte Entwässerung. Der Wasserablauf unserer Photovoltaik-Platten kann in einem Rohr nach unten geführt werden.
Am 15.12.2023 haben wir dann den Bauantrag unter dem Titel „Bauvorhaben: Errichtung einer Tragkonstruktion für Solarpaneele“ gestellt.
Am 19.12.2023 wird uns durch das Baurechtsamt nun mitgeteilt, dass die Bauvorlagen unvollständig seien.
Die von uns dargestellten Stellplätze entsprechen nicht dem genehmigten Planstand von 6 Stellplätzen und weisen nicht die in der GaVO geforderten Maße auf. Wir sollen bis 21.1.2024 die Bauvorlagen ergänzen und neu einzeichnen lassen sowie entweder die Planung der Stellplatzüberdachung anpassen oder als Antragsgegenstand mit 8 Stellplätzen aufnehmen.
Auf unserem Bauantrag von 1977 für die Stellplätze sind allerdings 8 eingezeichnet. Wir weisen darauf hin, dass es sich in unserem Lageplan für den Bautrag nicht um eine Stellplatzüberdachung handelt, sondern eine PV-Konstruktion. Auch wenn sich die Anzahl der Stellplätze reduziert, ändert sich nicht die Größe der Tragkonstruktion für die Solarpaneele, die nicht dem Schutz von Fahrzeugen dient, sondern der max. Ausnutzung von Sonnenenergie zur Umwandlung in Strom.
Das Baurechtsamt beharrt darauf, dass die 8 Stellplätze mit den von GaVO geforderten Maßen bis 29.1.2024 im Lageplan eingezeichnet werden müssen.
Dazu müssen diese natürlich noch von einem Vermessungsbüro vermessen werden. Wir erteilen den Auftrag. Schon wieder neue Kosten.
16.2.2024 Das Baurechtsamt bleibt bei dem Begriff Stellplatzüberdachung und schreibt: Der voraussichtliche Entscheidungstermin über den Bauantrag ist der 26.5.2024.
Am 16.4. empfiehlt uns das Baurechtsamt Esslingen, den Bauantrag zurückzuziehen: Das Vorhaben Einrichtung des Carports außerhalb bebaubarer Fläche verstoße gegen baurechtliche Vorschriften. Keine weitere Begründung.
Am 8.5.2024 bitten wir das Baurechtsamt unserer Technischen Studentenverbindung e.V. eine Ausnahmegenehmigung zu gewähren.
Denn wir haben bei einer Ortsbesichtigung festgestellt, dass in dem Bereich Mülbergerstraße im Bebauungsplan 569 insgesamt 5 Carports und Garagen gebaut wurden, die jeweils in der nicht überbaubaren Fläche errichtet wurden. Weiter wurden in den Gebäuden Mülbergerstraße 57 und 69 die Baugrenze übertreten und außerhalb der Bebauungslinie erstellt. Also muss es da auch Ausnahmegenehmigungen gegeben haben. Wir erklären uns aber weiterhin bereit, den Abstand von 2 m zur Straßengrenze einzuhalten, damit man später den Radweg ausbauen kann.
Wir machen darauf aufmerksam, dass wir mit unserem Engagement dem heutigen Zeitgeist folgen und in die neueste Wärmetechnologie investieren. So gehört zur Wärmepumpe auch eine Photovoltaikanlage, die nur auf einer Stellplatzüberdachung möglich ist.
Am 23.5.2024 dann die Antwort vom Baurechtsamt:
Die Baugenehmigung kann voraussichtlich nicht erteilt werden. Unsere Einwendungen werden geprüft, wir sollen aber den Bauantrag trotzdem zurückziehen.
Das tun wir nicht!
Mittlerweile haben wir die obersten Geschossdecken in beiden Häusern thermisch isoliert, Die beiden Wärmepumpen wurden angeliefert und stehen an ihrem Platz, der Umbau und Einbau der erforderlichen Anlagen kann starten, jetzt hoffen wir nur noch auf eine Ausnahmegenehmigung für unser Vorhaben.
Was man in Esslingen wohl nicht weiß: PV-Anlagen genießen Vorrang vor dem Denkmalschutz. Der Bau von Photovoltaikanlagen kann nur in Ausnahmefällen hinter dem Denkmalschutz zurückstehen, wie das Urteil vom 30.11.2023 VG Düsseldorf, Aktenzeichen 28 K8865/22 zeigt.
Autor: Remis